Bote der Urschweiz, 27.3.2000

Ungewöhnliches Programm - interessant gestaltete Aufführung

Das Programm des Frühjahrskonzerts des Orchesters Schwyz-Brunnen zeichnete sich durch seine besondere Originalität aus. Es ist dem Dirigenten Stefan Albrecht hoch anzurechnen, dass er es seinem aufmerksam nachgestaltenden Orchester wie der grossen Zuhörerschaft zutraut, Bekanntes, ja Übervertrautes neben ja schlichtweg Unbekanntes, ja Übersehenes zu stellen.


Ein voreiliger Konzertbesucher dürfte sich vielleicht doch die Frage stellen, was ein Konzertstück von einem gewissen Heinrich Hübler nach Schuberts „Unvollendeter“ noch zu suchen hat. Solch stirnrunzelnde Fragereien waren bald geglättet, als das Konzerte gleich mit zwei Märschen in D von Wolfgang Amadeus Mozart eröffnet wurde. In strahlendem, festlichem Glanz und mit präzisem Zusammenspiel der Streicher und Bläser führte Stefan Albrecht sein Orchester an, wohl wissend, dass er gerade mit dieser Musik die Kontrastfolien zu den dunklen Aspekten des nachfolgenden Werkes vorzeichnete.
Schuberts «Unvollendete», diese meistgespielte romantische und mit falsch verstandenen Sentimentalitäten aufgeladene Symphonie zur Aufführung zu bringen, bedarf im heutigen Konzertangebot einer besonderen Rechtfertigung. Offenbar waren sich die Ausführenden des enormen Schwierigkeitsgrades bewusst. Nachdem die extrem heiklen, ersten rhythmischen und intonatorischen Schwierigkeiten im Eröffnungsthema überwunden waren, zeigte es sich, worauf des dem Dirigenten und den Interpreten ankam: eine ungeglätete Aufführung, die scharfen Kanten und die durch nichts zu tröstenden aufgewuchteten Ausbrüche der Verzweiflung partiturgetreu herauszustellen. Besonderen Eindruck hinterliessen die vom Pianissimo der Kontrabässe und Celli aufgebauten Steigerungen, die gegenseitige Rücksichtnahme bei der Übernahme und Weiterführung des Haupt- und des Seitenthemas im ersten Satz, die souveräne Sicherheit der Bläserregister, die Soloeinsätze von Oboe, Klarinette und Flöte sowie die Präzision der Streicher. Statt romantische Schönheit bei wohlklingendem Seelenschmerz ein in seiner Existenz getroffenes, in sich selbst zerrissenes Seelengemälde. Beklemmend und grossartig zugleich.
Die darauf folgende «Lohengrin-Fantasie» für acht Hörner, arrangiert von Karl Stiegler, schuf schon von ihrem äusseren Erscheinungsbild her einen bewusst eingesetzten Kontrast zum eben Gehörten. Zu hören war ein auf Wohlklang abgestimmtes Arrangement, eine Art musikalisches Potpourri bekannter Themen aus Wagners «Lohengrin», von diesem in jeder Beziehung ungewöhnlichen Oktett hervorragend interpretiert und trotz extrem schwieriger Stellen intonationssicher und mit ersichtlichem Spass am heiklen Experiment vorgetragen.
Enthusiastisch gespielter Abschluss des Abends war das «Konzertstück in F» für vier Hörner des fast vergessenen Spätromantikers Heinrich Hübler. Die Begegnung mit diesem unbekannten Komponisten verlief denn auch in herzerfrischender Direktheit und Unkompliziertheit. Die romantische Klangseligkeit, mit Dutzenden von Anleihen bei Carl Maria von Weber, Robert Schumann und vor allem bei Richard Wagner, war bei den vier Solisten Lukas Christinat, Patrik Gasser, Walter Dillier und Beda Dillier sowie dem begeistert mitgehenden Orchester bestens aufgehoben. Es war beste romantische Unterhaltung auf sehr hohem Niveau, deren technische Brisanz und interpretatorische Einfühlung nicht unterschätzt werden dürfen. Nach dem lang anhaltenden Beifall für das hervorragend vorbereitete und begeisternd spielende Orchester, die vier Hornsolisten und das mitreissende Dirigat von Stefan Albrecht bedankte sich das Hornquartett mit der ergreifenden Volksweise „Ännchen von Tarau“. Nochmals Romantik: diesmal und zum Absclhuss von innerster, herzzerreissender Schönheit.
Dr. Joseph Bättig