Konzertkritik 2012
von Dr. Josef Bättig

Ein Orchester, das sich selbst übertrifft

Bild Orlanda Senn

Das Orchester Schwyz-Brunnen zeigte in der Pfarrkirche Seewen eine Darbietung auf hohem Niveau. Das Konzert zum 50-Jahr-Jubiläum begeisterte mit einer Symbiose zwischen Dirigent, Werk und Spielenden.
50 Jahre Orchester Schwyz-Brunnen! Ja, ein Ausrufzeichen ist an dieser Stelle mehr als berechtigt. Denn es ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir Jahr für Jahr originell ausgewählten Programmen, ausgezeichneten Solistinnen und Solisten und einem auf anspruchsvollem Niveau engagiert spielenden Klangkörper begegnen durften. So war denn auch das Jubiläumskonzert ein gültiges Spiegelbild eines Erfolgsrezepts, das allen Mitwirkenden höchste Konzentration und Spielleidenschaft, volle Identität und eine ins Kollektiv des Orchesters ausbalancierende Hörbereitschaft abverlangte.

Überraschender Pulsschlag
Wie Stefan Albrecht das Konzert mit Mozarts Ouvertüre zu „Idomeneo“ eröffnete, zeigte deutlich, auf welch hohem Niveau die hintergründige Botschaft des Werkes hörbar gemacht wurde. Da gab es keine Konzessionen an bloss einstimmend verzopfte Gefälligkeiten. Im Gegenteil, da wurde der überraschende Pulsschlag des genialen Dramatikers Mozart ernst genommen, und beim überraschend stillen Schluss der Ouvertüre hiess es diesmal nicht „Vorhang auf“ zur Oper, sondern Auftritt für Ivo Gass, diesmal zu Olivier Messiaens herausforderndem „Appel interstellaire“.
Was der geniale Hornist in diesem verhältnismässig kurzen Soloeinsatz mithilfe seiner offensichtlich absolut präsenten und jederzeit abrufbaren Atem- und Spieltechnik verwirklichte – gleichzeitig verbunden mit einer die Feinheiten der Komposition differenzierenden Interpretation – grenzt eindeutig ans schlicht Wunderbare. Dasselbe ist von seiner Interpretation des Hornkonzerts in Es-Dur von Richard Strauss zu sagen. Man erhielt den Eindruck, als sei das Horn in seiner langen Entwicklungszeit speziell auf Ivo Gass hin entworfen und entwickelt worden. Es war eine überwältigende Sternstunde höchster musikalischer Instrumentationskunst bei gleichzeitig untrennbarer Einheit von Solist und Instrument und kann im allerbesten Fall von andern erreicht, kaum aber übertroffen werden. Ein Wurf!

Das Orchester konnte das bereits angesprochene hohe Niveau bei Mozarts „Idomeneo“-Ouvertüre nicht nur behalten, es vermochte es sogar auf eine Art zu steigern, wie man es mithilfe eines noch so gewissenhaften Probenbetriebs nicht zu erreichen vermag. Hier ist nun auch der Ort, auf das besondere Charisma des Dirigenten Stefan Albrechts hinzuweisen.

Absolute Sicherheit
Es ist für ihn eine Selbstverständlichkeit, die Partituren bis in ihre Feinheiten sehr genau zu kennen. Er weiss aber auch, dass in ihnen nie alles festgehalten ist. Und so hört er während des Dirigats genau darauf, was ihm das Orchester an Gestaltbarem zuspielt, er greift es auf und vertraut gleichzeitig mit absoluter Sicherheit auf seine Intuition. So entsteht jene wunderbar lebendige Symbiose zwischen Dirigent, Werk und Spielenden mit dem verblüffenden Resultat, dass das Orchester sich selbst zu übertreffen vermag. Das war gleich mehrmals der Fall. Wir denken an den Elan, mit dem sich alle Register aufs interpretatorische Abenteuer von Schuberts 3. Sinfonie einliessen, wie die Streicher in Benjamin Brittens „Sentimental Saraband“ die unwahrscheinlich tiefen Gefühlswerte der Resignation wie der Sehnsucht ausloteten.
Es war deshalb zu erwarten, dass es sich beim Hornkonzert von Richard Strauss mit der Rolle eines zuverlässigen Begleiters nicht zufriedengeben mochte, sondern die Rolle eines mitspielenden Partners mit enthusiastisch mitfiebernder Intensität übernahm. Wunderbar, wie die extrem schwierigen Übergänge zu den einzelnen Sätzen gemeistert und der triumphierenden Freude zum Durchbruch verholfen wurde.
Das begeisterte, zahlreiche Publikum dankte allen Ausführenden mit grossem Applaus.
Bote der Urschweiz vom 24.4.2012